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✍ Tür auf Tür zu – Katz‘ und Maus | Theatertipp

Tür auf Tür zu: Das Dreipersonenstück✍ Tür auf Tür zu – Katz' und Maus | Theatertipp | Kulturmagazin 8ung.info handelt von einer Frau Mitte Vierzig, die in einem geschlossenen Kreislauf lebt. Sie geht kurz vor die Tür und kommt nicht mehr hinein. Die Tür in Form eines Türstehers bleibt für sie geschlossen, siehe -> Tür auf Tür zu

Tür auf Tür zu: Sie kennt die Spielregeln nicht

w.Renitenzensemble_Tuer_auf_Tuer_zu_7261In der Inszenierung von Benjamin Hille im Stuttgarter Renitenztheater ist es ein Ort, an dem jeder jeden kennt. Es sieht nach einer Stehparty aus, bei der sich Singles, Börsenmakler oder Wichtigtuer treffen, um über Gleichgesinnte herzufallen. Sie treffen sich und tratschen jeder über jeden. Einen tiefere Bindung kommt nicht zustande. Ausgerechnet dort will sie wieder hinein. Eine fixe Idee, die ihr ganzes Leben durcheinander bringen wird. Für die Zuschauer nicht ganz nachvollziehbar, denn so interessant kann es doch da drinnen nicht sein.
Jetzt beginnt das Gesellschaftsspiel, das ER als Tür genießt, während SIE die Spielregeln nicht kennt. Die Tür (Michael Günther) führt ein Eigenleben als Zerberus mit durchaus mitfühlenden Zügen. Sein Blick wandert zwischen Anneliz (Schirin Brendel) und ihren Mitleidern über Konkurrenten bis Bessergestellten (Martin König) hin und her. Wenn es aber darum geht, die Tür geschlossen zu halten, ist er unbestechlich. Bei diesem Katz-und-Maus-Spiel behält die Tür immer die Oberhand.

Tür auf Tür zu: Kaum Requisiten, aber sehr anschaulich

Martin König mimt sämtliche Figuren, die mit Anneliz Kontakt haben. Sowohl die „Vergiss-es!“, als auch die Bestätigenden, denen es ähnlich geht wie ihr. Er fühlt sich gelangweilt, bricht weinend zusammen, verbreitet Zuversicht, während er von seinem unbezahltem Traumjob erzählt.
Sie brauchen nicht viele Requisiten. Veranschaulicht wird die frostige Zeit durch Zittern und vor Kälte frösteln. Regen stellt Michael Günther mit Trommeln der Finger auf einem Holzkasten dar. Mit Papier rascheln simuliert er ein Feuer, an dem sich die Beiden mühsam wärmen.
Panik: Licht geht fast aus. Hintergrund orange erleuchtet. Drei Personen werden ungesund grün angestrahlt. Sie babbeln durcheinander. Anneliz redet sich ein, unentbehrlich zu sein. Martin König als Alter Ego behauptet genau das Gegenteil. Rechnet ihr alle Defizite vor. Stereotyp Michael Günther: „Tür zu! Tür zu! Tür zu!“ Sie wird atemloser. Es knallt. Das Licht geht an. Die Panikattacke ist mit einem Schlag vorbei.

Aktiv und voller Tatendrang unternimmt Anneliz Rückkehrversuche.

Sie schafft es, die lebendige Tür vom Sockel zu heben und in die Ecke zu stellen. Rein kommt sie dadurch nicht, denn die Tür ist zu. Michael Günter lebt sein komisches Talent mit vollem Körpereinsatz aus. Seine Figur gleicht einem Fragezeichen, das schnell zu einem Ausrufezeichen, Komma oder Punkt werden kann. Ertönt aus dem Off Geigenmusik, mimt er hingebungsvoll einen Stehgeiger. Von seinen Grimassen lenkt nichts ab – nicht einmal eine Frisur. Anneliz‘ Handgreiflichkeiten nützen nichts. Ein Kinnhaken, der 2 cm vor dem Kinn endet, beantwortet er mit fallendem Unterkiefer und/oder einem Hänger über dem Sockel. Die Tür bleibt zu. Ebenso hilft kein Arschkriechen, das Michael Günther voller Vorfreude mit herunter gelassener Hose erwartet, den Allerwertesten dem Publikum zudrehend. Genau so begeistert ihn der Stripteasetanz, den er mit seiner schlaksigen Figur aktiv mitgestaltet. Im letzten Augenblick besinnt er sich.

„Die Tür ist zu!“

Anneliz ist genervt, nur genervt. Sie schafft es nicht, außerhalb dieser Gesellschaft Fuß zu fassen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Immer wieder unternimmt sie Versuche, ausgerechnet durch diese Tür hinein zu gehen. Verbohrt auf dieses immer fernere Ziel schauend, wird sie depressiv und pomadig, bis sie am Schluss nur noch mit Tagträumen im Bett liegt, um mit allen abzurechnen, die sie erniedrigten. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann …

Renitenztheater in Stuttgart
Besetzung am 5. Dezember 2014: Schirin Brendel, Michael Günther und Martin König
Regie: Benjamin Hille
Probenfoto © Sabine Haymann


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